Sturzdrama, Stechen um den EM-Start und überlange Sprints.

OTZ Gera / Andreas Rabel

30. Jul 2024

Benjamin Bock, Stella Müller und Louis Gentzik holten bei der Bahnrad-EM Silbermedaillen. (Foto: Andras Rabel)
Benjamin Bock, Stella Müller und Louis Gentzik holten bei der Bahnrad-EM Silbermedaillen. (Foto: Andras Rabel)

Louis Gentzik, Benjamin Bock und Stella Müller holten bei der Bahnrad-EM in Cottbus Silber - und jede Medaille hat eine eigene Geschichte.

Louis Gentzik traute seinen Augen nicht, war geschockt, er musste sich das Sturzdrama im Finallauf der Bahnrad-EM beim Ausfahren auf der Cottbuser Bahn mit anschauen. Aus der Traum vom EM-Titel im Bahnvierer der U19.

Dass beim Gespräch im Nachgang der Titelkämpfe das Video auf dem Handy flimmert, das sei ihm klar gewesen, aber er könne die Sequenz nicht mehr sehen, will sich das Video nicht mehr anschauen. „Das tat so weh“, sagte er. Mitansehen zu müssen, wie sein Teamkollege Hugo Esch stürzte und die Italiener Europameister wurden.

Hugo Esch stürzt im Finallauf gegen den Vierer aus Italien

Noch drei Stunden nach dem Sturzdrama, als die Siegerehrung anstand, „hatte ich Druck hinter den Augen, war noch keine Freude zu spüren über EM-Silber“. Wie bei der WM 2023 in Kolumbien wurde Louis Gentzik, der aus Fulda kommt, für den SSV Gera startet, Silbermedaillengewinner. In Cali sei das Ergebnis okay gewesen, die Italiener einfach besser, „doch in Cottbus waren wir eigentlich besser, hätten sie packen können“. Doch Hugo Esch fädelte einen auf der Bahn liegenden Schwamm auf, der regelkonform als Begrenzung zum „blauen Teppich“ dort lag. Der Schwamm blockierte sein Vorderrad und der Waltershäuser hatte keine Chance, drehte mit samt des Rennrads einen Purzelbaum. Die Verletzungen sind verheilt, doch das verlorene EM-Gold schmerzt noch immer.

Louis Gentzik war im Endlauf von vorn gefahren, hatte Tempo­arbeit für den Vierer gemacht und war planmäßig aus dem Rennen gegangen, drei Renner müssen ins Ziel kommen, doch daraus wurde nichts. „Schade, sehr schade“, sagte er, „Ich habe zu Hause nur Silbermedaillen hängen, von der WM, der DM in der Einzelverfolgung und nun von der EM.“ In der neuen Saison steigt der Bahnrad-Ausdauersportler in die U23-Klasse auf, muss sich in einem neuen Umfeld bewähren.

Der Kampfsprint ist Benjamin Bocks bevorzugte Disziplin

Mit zwei Silbermedaillen - im Teamsprint und Keirin - kehrte Benjamin Bock von seiner ersten EM in der Altersklasse U19 aus der Lausitz zurück. Die EM-Vorbereitung bezeichnet der 16-jährige Geraer als nicht optimal, doch in Cottbus lief es rund. Gewöhnungsbedürftig, dass die renovierte Bahn eine Länge von 333 Meter aufweist, in der Regel ist eine Runde 250 Meter lang. Da zieht sich selbst der über drei Runden gehende Teamsprint in die Länge, muss der Sprinter an Position drei in Cottbus 999 statt 750 Meter am Anschlag fahren. „Ich bin zufrieden mit den Silbermedaillen. Möglichkeiten sich zu verbessern, gibt es und das ist gut so“, sagt der Elftklässler am Erfurter Sport­gym­na­si­um, der auch im kommenden Jahr noch in der U19 sprinten kann.

Dass es bei ihm sportlich gesehen zweirädrig wird, das war früh klar. Vater Andreas fährt Enduro, der Sohn stieg aufs Moun­tain­bike - ein gutes Training, um später auf dem Gelände­motor­rad zu sitzen. Doch dann wurde es Bahnradsport und er hat es nicht bereut und die Familie steht hinter ihm, unterstützt ihn, wo es geht. „Die Geschwindigkeit, der schnelle Tritt, das fasziniert mich am Sprint“, sagt er. Als Lieblingsdisziplin nennt er Keirin, den Kampfsprint. Das Derny macht das Sprinterfeld zunächst schnell und gibt dann das Rennen frei, „das ist meins, da ist Tempo drin.“

Mister Oberschenkel gab auf der Geraer Redrennbahn den Anstoß für ihre Laufbahn

Schon einige internationale Erfahrungen hat Sprinterin Stella Müller gesammelt, die in Cottbus Teamsprint-Vize­europa­meiste­rin in der U23 wurde. EM-Dritte und U19-Weltmeisterin und Vize­welt­meisterin war die 20-Jährige bereits, doch der Weg nach Cottbus war steinig. Fast ein Jahr musste die Geraerin wegen einer Hüftverletzung aussetzen. „Eine harte Zeit, da stellst du vieles infrage“, sagt sie. Um ins Teamsprint-Trio zu kommen, musste sie einige Tage vor dem EM-Start ein Stechen gegen die Kaiserslauterin Anne Slosharek fahren. Starke Nerven und ein starker Antritt waren gefragt. Stella Müller setzte sich durch und war drin im Team. Zuvor hatte sie sich auf jedem noch so kleinen Wettkampf präsentiert, um zu zeigen, „Ich bin noch da!“ EM-Silber der Lohn. Das wird auch Geras einstiger Vorzeige-Sprinter Robert Förstemann mit Freude zur Kenntnis genommen haben. Familie Müller verfolgte 2013 den Sprinter- und Stehertag auf der Geraer Radrennbahn und „Mister Oberschenkel“ trat in die Pedale, was das Zeug hielt. Und nach den Rennen verkündete Stella: „Auf dieser Radrennbahn möchte ich auch einmal fahren.“ Das tat sie und nicht nur das. (OTZ/A.Rabel)


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