Als die Friedensfahrer ins Stadion der Freundschaft kamen.

OTZ Gera / Andreas Rabel

13. Mär 2023

Sprint-Ass: Thomas Schenderlein siegt beim Wismut-Cup in Gera-Lusan.   (Archivfoto: Schenderlein)
Sprint-Ass: Thomas Schenderlein siegt beim Wismut-Cup in Gera-Lusan. (Archivfoto: Schenderlein)

Wie Thomas Schenderlein zum Radsport kam und was er mit Olympiasieger Olaf Ludwig teilte.

Mai 1975. Warten auf die Friedensfahrer. Das Stadion der Freund­schaft war randvoll. Der Jubel flog den Pedaleuren zu. Einen großen Auftritt hatte auch Thomas Schenderlein. „In Bieblach bei der Kleinen Friedensfahrt bin ich Zweiter geworden und die Siegerehrung war im Stadion – vor der Etappenankunft.“ Damals war der Junge aus Wildetaube 12 Jahre alt – und wollte nur noch eins: Radrennfahrer werden, am besten Friedens­fahrer.

Zum Training ging es nach Greiz, bei der BSG Greika trainierte er bei Harald Haun und Gerulf Lenz. „Das war schon was, als wir auf Rennrädern trainieren durften, die dünnen Reifen, die Schaltung, das Surren, die Geschwindigkeit.“ Es gab kein Halten.

Ein Jahr nach dem Schlüsselerlebnis wurde er an die Sport­schu­le nach Gera delegiert, fuhr im Trikot der SG Wismut, trai­nier­te bei Siegfried Huster, wurde schnell Jugend-Aus­wahl­fahrer und wechselte mit 18 in die Trainingsgruppe von Erfolgs­trainer Werner Marschner – mit den Top-Fahrern Olaf Ludwig, Thomas Barth und Jörg Köhler. „Das war Weltklasse, jeden Tag, in jeder Trainingseinheit. Ich habe so viel profitiert, viele Tipps bekommen und ich wusste, bleibst du dran, wirst du auch ein Top-Rennfahrer.“

Und noch besser: Die Friedensfahrer erhielten jedes Jahr ein neues Rennrad und Olaf Ludwig gab seins weiter – an Thomas Schenderlein. „Ich habe von der Statur drauf gepasst“, sagt er und hält ein Colnago-Rad aus jenen Tagen noch immer in Ehren. Wie sein Vorbild hatte auch er schnelle Beine, war ein Mann der Sprintankünfte.

Mit 21 Jahren kam er in die DDR-Nationalmannschaft. Bei der Tunesien-, Bulgarien- und Polen-Rundfahrt saß er im Sattel, ge­wann in Casablanca die Abschlussetappe der Marokko-Tour, ent­schied den Klassiker Berlin-Cottbus-Berlin über 250 Kilo­me­ter für sich, freute sich über den Jubel in Gera-Lusan, als er im Wismut-Cup die Etappe durch den Bezirk Gera, zweimal ging es hinauf zur Leuchtenburg, vor Weltmeister Uwe Raab gewann.

In der Wendezeit neigte sich die Laufbahn dem Ende entgegen, der gelernte Kfz-Schlosser und -Elektriker arbeitete bei der SG Wismut Gera als Mechaniker, erlebte auf der Winterbahn am 9. November 1989 die Maueröffnung und schlenderte einen Tag später durch den Westteil der geteilten Stadt Berlin.

Werner Marschner vermittelte ihn und Andreas Wartenberg zur RSG Frankfurt/Main. Mit den Hessen wurde Schenderlein Zweiter der Bundesliga, Zweiter bei „Rund um Berlin“ hinter Frank Augustin und vor Erik Zabel. 1993 kehrte er nach Thüringen zurück, kurbelte für den SSV Gera in der Bundesliga, gewann 1994 in Erfurt den Klassiker Rund um die Hainleite. „Es war eine schöne und erfüllte Zeit. Ich würde alles noch einmal so machen“, sagte er 1995, als er vom Rennrad stieg.

Wenig später stieg er in den Familienbetrieb seiner Frau Petra ein, die Spielkiste in den Gera Arcaden ist vielen ein Begriff. Mitglied beim SSV Gera ist er nach wie vor.

Und wenn Olaf Ludwig die Ehemaligen-Rennen wie bei der Apres Tour Gera zusammenstellt, dann ist Thomas Schenderlein dabei. Im vergangenen Sommer gönnte er sich noch einmal ein neues Rennrad – mit E-Schaltung. Einmal Radsportler, immer Radsportler. (OTZ/A.Rabel)


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