Ein frommer Wunsch für André Greipel in Paris: Ein Königreich für einen Stuhl.
OTZ Gera / Andreas Rabel
15. Feb 2023
- André Greipel liest in Gera aus seinem Buch. (Foto: Andreas Rabel)
Radprofi und Top-Sprinter liest in Gera aus seiner Biografie „Aus dem Windschatten“ und plaudert aus dem Nähkästchen.
Gut gelaunt präsentierte sich André Greipel in Gera, las aus seiner Autobiografie, stellte sich den Fragen. „Das Buch ist ja schon eine Weile raus“, sagte er, „ich werde nicht alles vorlesen, die Gelegenheit, es selbst in die Hand zu nehmen, besteht also noch.“ Schmunzelt und schlägt das erste Kapitel auf. Die Anfänge in Rostock.
Als der kleine André zu Hause auf einer Mülltonne saß, um ein paar Blicke auf die Renner zu erhaschen, „das Sirren und Surren“ zu hören, legte er hernach den Fußball in die Ecke und meldete sich beim Radsport. „Das Timing muss stimmen. Bei mir hat es damals gestimmt. Ich war zum richtigen Moment am richtigen Ort und habe die richtigen Leute getroffen.“
Peter Sager war ein Trainer der alten Schule. „Wir mussten vier Runden auf der Rostocker Rennbahn drehen, wer unter zwei Minuten blieb, hat Talent, durfte bleiben, so die Lesart des Trainers. André Greipel durfte wiederkommen, fuhr seine ersten Rennen, keuchte den heimischen Berg hinauf. „Der Anstieg in Groß Görnow, der schien für mich unerklimmbar mit meinem blauen Diamant-Rad ohne Gangschaltung“, sagt er. GPS-Vermessen 40 Höhenmeter, heute ein Klacks, damals eine große Sache. „Peter Sager ließ mich machen und ließ mich sein, was ich war: durchschnittlich“, blickte er zurück.
Peter Sager in Rostock war ein Trainer der alten Schule
Die DDR ging, neue Zeiten brachen an. Im Familien-Urlaub in Italien lief im Fernsehen die Tour de France. Olaf Ludwig fuhr ins Grüne Trikot, behielt es bis zur Triumphfahrt auf den Champs Elysees. „Olaf war einer von uns, das wusste ich. Auch ich wollte die Tour de France fahren, malte mir in meinen Träumen das Profidasein aus.“ Auf sein Drängen hin erfüllten ihm die Eltern nach dem Urlaub seinen langgehegten Wunsch, er bekam ein Fahrrad mit Gangschaltung.
Dass er einmal 1404 Rennen fahren würde, nicht abzusehen. An elf Etappensiege bei der Tour de France, sieben beim Giro d’Italia, vier bei der Vuelta a Espana – nicht zu denken. Auch nicht an WM-Bronze 2011 – seither stand kein deutscher Profi wieder auf dem Podest.
André Greipel fiel schon in jungen Jahren auf, als einer der den Radsport lebte, keinen Windschatten kannte, immer Gas gab. „Mit rundem Tritt bei hoher Frequenz“, wie es Olaf Albrecht beschreibt, damals Teammanager beim Team Köstritzer und später Manager des Radprofis André Greipel. Also SSV Gera, Team Köstritzer, dreimal in Folge Platz eins in der U23-Bundesliga. John Degenkolb, Marcel Kittel, Tony Martin und Sebastian Lang fuhren ebenso im Team der Biermarke. Eine prägende Zeit und für immer in seinem Gedächtnis, ein Abend im Teamhotel mit den Köstritzern in Frankreich. Die erste Rundfahrt nach den Ferien, „ich war beim Prolog nicht bei der Sache“, erzählt er und Trainer Gerald Mortag, der bei der Buchlesung nicht mehr dabei sein konnte, bat ihn zu einem Vier-Augen-Gespräch. „Der Monolog fand unter vier Augen statt, aber gut hörbar für alle Ohren im Hotel.“ Es fruchtete. So schlecht vorbereitet sei er nie wieder in ein Rennen gegangen.
Vier-Augen-Gespräch für alle Ohren im Teamhotel in Frankreich
2005 der erste Vertrag bei Team Wiesenhof. Etappensieg bei der Dänemark-Rundfahrt. Wechsel zum Team-T-Mobile, der Radsport lag nach dem Dopingskandal am Boden. Nicht nur einmal wurde er beschimpft, doch er stand für eine neue Generation, die es anders machen wollte. Mit ihm im Magenta-Trikot stand der drei Jahre jüngere Mark Cavendish. André Greipel blendet ein Foto ein, beide umarmen sich. „Da muss es extrem kalt gewesen sein und wir wollten beide nur noch unter die Dusche“, sagt er und lacht. Freunde waren sie nie, der Sprinter von der Ostseeküste und der Mann von Isle of Man.
André Greipel wurde im von Olaf Ludwig geführten Team in den Cavendish-Sprintzug eingeteilt. „Ich hab‘ für ihn in die Pedale getreten und einmal so stark, dass ich die Etappe gewann. Da war es endgültig aus.“ Seine Sprintsiege, auch gegen Mark Cavendish, die holte sich André Greipel nicht für ein deutsches, sondern ein belgisches Team. Lotto Soudal wurde seine sportliche Heimat.
Es hätte durchaus auch ein anderes Team werden können, doch der heute 40-Jährige hatte nicht nur seinen Geldbeutel im Blick. „Wenn ich zu Euch komme, dann nur mit meinem Team und auch für meine Mannschaft muss gesorgt sein“, war seine Maxime, Marcel Sieberg bald 20 Jahre sein Anfahrer, Edelhelfer und Freund. Der Traum von der Tour de France wurde wahr. 2015 war sein großes Jahr, er gewann vier Etappen auf der Großen Schleife und riss auf den Champs Elysees die Arme hoch. Triumph bei der inoffiziellen Weltmeisterschaft der Sprinter. In der ersten Runde durch Paris sangen sie alle noch „Oh, Champs Elysees“. Bald war es vorbei mit lustig, die Teams brachten ihre Sprinter für das große Finale in Stellung. Am liebsten hätte er im Herzen Paris‘ ausgerufen: Ein Königreich für einen Stuhl. Sich einfach hinsetzen, verharren, versuchen, den Augenblick festzuhalten. Doch es ging nicht, das Protokoll unerbittlich, es zog sich, bis vor Erschöpfung die Champagner-Laune verflogen war. Wenig prickelnd das alles.
Schon eine Woche danach saß er wieder im Sattel, gewann in Hamburg im Massensprint die Vattenfall Classics, das einzige deutsche World-Tour-Rennen. „Wie ich das geschafft habe? Das ist mir noch heute ein Rätsel. Ich habe einfach weiter gemacht.“
2021 fuhr er ein letztes Mal die Tour de France, stieg nach dem Münsterland Giro im Oktober vom Rennrad. Die Arbeit an seiner Biografie, die den Untertitel trägt: „Wie ich den Radsport lieben und das Siegen lernte“, sei für ihn auch eine Art der Reflexion, der Selbstfindung gewesen. Zu Hause in Hürth im Rheinland wird es ihn auch ohne Renn- und Trainingskalender nicht langweilig. „Projekte gibt es viele, Ziele muss ich noch definieren“, sagt er. Durch die Zusammenarbeit mit der Firma Uvex ist er dem Radsport verbunden, dem SSV Gera um Olaf Albrecht, Bernd Herrmann und Olaf Ludwig sowieso. (OTZ/A.Rabel)
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