TV-Hingucker: Magieras kühner Sprung auf die Bande.

OTZ Gera / Andreas Rabel

13. Aug 2021

Christian Magiera in Tokio.  (Foto: cm)
Christian Magiera in Tokio. (Foto: cm)



Interview der Woche mit UCI-Kommissär Christian Magiera, der über seine Erlebnisse bei Olympia in Tokio erzählt.


Im Fernsehen waren Sie ja oft zu sehen, als der Mann mit der Pistole.

(Lacht!). Ich war selbst immer wieder überrascht, wenn ich auf mein Handy geschaut habe, wie viele Screenshots ich bekommen habe. Meine spektakulärste Aktion war aber auch im Fernsehen zu sehen.

Im Scratch gab es eineinhalb Runden vor dem Ende einen Sturz. Das halbe Feld rutschte von der Bahn, genau in den Sicherheitsbereich, da wo sich auch die Jury aufhält. Ich habe mich mit einem kühnen Sprung auf die Bande gerettet. Wie ich das hinbekommen habe, weiß ich heut‘ noch nicht. Da hockte ich auf der Bande, die Pistole lag irgendwo. Ich hätte das Rennen nicht abschießen können.

Was haben Sie stattdessen gemacht?

Ich habe schnell die Renner durchgezählt, die noch im Sattel waren. Die Regel besagt, sind noch mehr als die Hälfte der Sportler im Rennen, wird der Wettkampf laufen gelassen. 12 von 21 waren noch im Rennen – also ging es weiter. Das ist natürlich keine Situation, die man als Jury haben will.

War das die einzige Schrecksekunde?

Auf die Bande musste ich nicht ein weiteres Mal. Aber als nach dem Start des Madison-Rennes der Kameramann noch mitten auf der Bahn stand und filmte, da wurde es mir anders und ich bin losgestürmt und habe den TV-Mann von der Bahn gestikuliert. Es ging gut.

Mit dem Fernsehleuten hatten Sie als Starter sehr engen Kontakt?

Der Zeitplan richtete sich nach den Vorgaben des Fernsehens. Das war alles exakt eingetaktet. Wir mussten auf die Sekunde genau starten, damit der Reporter seine Anmoderation in seiner exakt vorgegeben Zeit auf den Sender bringen kann.

Lief alles nach Plan? Die Generalprobe ging ja völlig daneben.

Ja, die Generalprobe. Da wurde mir schon etwas mulmig. Da klappte rein gar nichts. Die Jury war zu spät, die bestellten Sportler waren nicht da. Das Tableau für die Sprints war nicht vollständig, die Verbindung zum Hallensprecher funktionierte nicht. Das war ein Warnschuss. Als es drauf ankam, war aber jeder an seinem Platz, tat, was er zu tun hatte.

Die Japaner nehmen es ja ganz genau, oder?

Ja, es ist alles bis aufs kleinste Detail geplant. Als wir am ersten Tag vom Hotel zur Radrennbahn gefahren sind, stand am Plan. Abfahrt 8:10 Uhr. Und auf Schlag 8:10 fuhr der Bus los. Mein spanischer Kollege kam zu spät und durfte sich auf eigene Kosten ein Taxi nehmen. Da wird er schön geblecht haben. Als wir am Flugplatz ankamen, musste sich jeder ein Taxi nehmen, um zum Hotel zu gelangen. Die Fahrt kostete 415 Euro. Irre!

Olympia musste den Corona-Vorgaben gehorchen. War es dann auszuhalten?

Besser Olympia so, als gar nicht. Die Sportler haben sich fünf Jahre auf die Olympischen Spiele vorbereitet, das wäre eine Katastrophe gewesen, alles abzublasen. Was mich betrifft. Ich wusste ja, was mich erwartet. Temperatur messen, tägliche Tests und so weiter. Wir sind praktisch zwischen Hotel und Rennbahn gependelt, das war’s.

Und die ersten Tage war nicht einmal der Fuji zu sehen?

Nicht mal das. Am dritten Tag war es aber soweit. Das Wetter passte. Ein majestätischer Anblick – und alle sind an diesem Morgen etwas länger beim Frühstück geblieben als sonst.

Den Tag haben Sie in der Radsporthalle verbracht. Die Abende im Hotelzimmer waren lang und langweilig?

Es blieb Zeit ein Tagebuch zu schreiben, sich Arbeit vorzunehmen, die liegen geblieben ist, oder eine Videokonferenz mit dem Stadtsportbund abzuhalten. Am ersten August war es ein Jahr her, dass ich als Vereinsberater und Leiter der Geschäftsstelle angefangen habe. Da haben wir eine kleine Bilanz gezogen.

Am 21. August geht es zu den Paralympics wieder nach Tokio, diesmal als Chef de Jury. Was nehmen Sie als Erfahrung vom ersten Aufenthalt mit?

Ich weiß nun, wie es läuft. Kann mit der sterilen Atmosphäre besser umgehen. Olympia mit wenigen Zuschauern, das ist schon eigenartig. Wir haben in Tokio großen Sport gesehen. Weltrekorde in der Mannschaftsverfolgung. Aber die Stimmung in der Halle, die Freude bei den Athleten war eine andere. Alles sehr steril.

Doch dieses Mal sehen Sie was vom Land, schließlich nehmen Sie für Ihre Jury-Aufgaben auch Urlaub.

Die Halle kenne ich schon, aber da ich auch bei den Straßenrennen im Einsatz bin, werden wir von Izu auch zum Fuji Speedway fahren. Darauf freue ich mich.

Mit Robert Förstemann wird im Tandem mit seinem Partner Kai Kruse auch ein Geraer starten.

Das ist stark, dass er es mit seinem Partner geschafft hat und ich drücke ihm natürlich die Daumen. Er wird ein schnelles Rennen fahren müssen. Ich rechne damit, dass ein Weltrekord nötig sein wird, um zu gewinnen. (OTZ/A.Rabel)


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