Interview mit der Vorsitzenden der Geraer Sportjugend: Es geht nicht „nur“ um Sport.

SSV Gera / Presse

20. Mär 2015

Petra Franke, Vorsitzende der Geraer Sportjugend
Petra Franke, Vorsitzende der Geraer Sportjugend

Petra Franke sieht in der Arbeit mit der Sportjugend einen Indikator für eine gesunde Stadtentwicklung.

Petra Franke heißt die alte und neue Vorsitzende der Geraer Sportjugend. Die Trainerin und Jugendwartin beim SSV Gera 1990 wurde auf dem kürzlich stattgefundenen Jugendtag für weitere drei Jahre gewählt. Neu gewählt in die Funktionen stellv. Vorsitzende und Beisitzer wurden Sabrina Wenzel, Sarah Maßmann und Julian Raps. Über die Formierung der neuen Jugendleitung, darüber was die Geraer Sportjugend leisten kann und Vorhaben sowie über ihre eigenen Visionen, sprachen wir mit der 26-jährigen Studentin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

In der neu gewählten Jugendleitung verfügen Sie als Einzige über Erfahrungen in der Arbeit der Geraer Sportjugend. Wird damit ihre Arbeit schwieriger, als bisher und wie wollen sie die neuen Leitungsmitglieder in die Arbeit integrieren?

Vor vier Jahren hatte sich auch die alte Sportjugendleitung beinahe komplett neu zusammengesetzt und wurde dann 2012 neu gewählt. Damit erfolgt 2015 das gleiche Spiel wie damals. Die einzige Herausforderung wird zunächst darin bestehen, herauszufinden, wer wo seine Stärken hat und wie er sich einbringen kann. Wenn diese Hürde genommen ist, steht der erfolgreichen (Weiter-)Arbeit in der Sportjugendleitung eigent­lich nichts mehr im Wege.

Es ist eher ungewöhnlich, dass sich eine Leitung gewisser­ma­ßen auflöst. Wie kam es dazu?

In der Mitgliederentwicklung der Geraer Sportvereine zeigt sich, dass die Mitgliederzahlen im Altersbereich 19-26 Jahre rück­läu­fig sind. Ähnliches zeigt sich auch in der Ein­woh­ner­ent­wick­lung der Stadt. Die Geraer Jugend wandert aus und kommt leider auch so schnell nicht wieder. Grund dafür sind berufliche Perspektiven, die es in Gera nicht gibt. So schieden auch in unserer Jugend­leitung zwei Mitglieder aus, die in Gera keinen Job gefunden haben, ein Mitglied wollte das Studium nicht in Gera fort­führen und nur ein Mitglied beendete aus persönlichen Gründen die Arbeit.

War es schwierig, neue Mitglieder für die Arbeit in der Jugend­leitung zu begeistern?

Jeder Sportverein ringt um ehrenamtliche Kräfte, vor allem in dem Alter, welches wir auch suchen. Jugendliche, die sich ehren­amt­lich engagieren wollen, tun das bereits: sind Jugend­wart, Trainer und treiben vielleicht selbst noch ein bisschen Sport. Die Schwierigkeit war es also, jemanden zu finden, der sich neu ehrenamtlich engagieren will. Da genügte es manch­mal nicht, nur einmal in den Vereinen nachzufragen.

Im Stadtsportbund sind derzeit 5125 Kinder- und Jugendliche bis 26 Jahre organisiert. Da dürfte es doch nicht so schwierig sein, vier bis fünf Jugendliche für die Mitarbeit in der Jugend­leitung zu gewinnen. Oder doch?

Wenn man es ganz genau nimmt, haben wir statistisch ge­se­hen rund 1700 Jugendliche, die vom Altersbereich her für die Mit­arbeit in der Sportjugendleitung geeignet wären. Davon stehen aller­dings viele nur auf dem Papier, weil sie beruflich nicht in Gera aktiv sind oder gehören einem Verein an, der keine Jugend­ordnung hat. Andere haben bereits drei Ehren­ämter, und wieder andere haben einfach kein Interesse.

Warum ist es so wichtig, dass ein Verein, über eine Jugend­abteilung mit Jugendordnung verfügt?

Die Jugendordnung regelt die Jugendarbeit im Sport­ver­ein und sichert damit jugend­hilfe­rele­vante Themen ab, die im Sport­ver­ein nicht zu kurz kommen sollten, z.B. Jugendbildung und Jugend­erholung. Es geht also nicht mehr „nur“ um Sport, sondern um die Persönlichkeitsentwicklung eines jeden Sportlers. Durch die Jugendordnung gibt es einen Jugendwart und auch eine Jugendleitung im Verein, die aus Jugendlichen bestehen sollte. Jugendliche erhalten also durch die Jugend­ord­nung ein gewisses Mitbestimmungsrecht im Verein, erhalten Einblick in Sport­strukturen und werden auch ein Stück weit politisch aktiv.

Bedarf es da noch einer übergeordneten Organisation wie der Geraer Sportjugend mit Jugendleitung?

Auf jeden Fall. Wir unterstützen die Vereine in allen jugend­hilfe­rele­vanten Bereichen. Es gibt Fördermöglichkeiten durch die Thüringer Sportjugend, beispielsweise für Ferien­freizeiten, die wir vermitteln. Außerdem bieten wir or­ga­ni­sa­to­ri­sche Hilfe bei der Umsetzung von Jugend­bil­dun­gen und anderen jugend­hilfe­rele­van­ten Projekten.

Wie ist die Arbeit bei der Geraer Sportjugend organisiert?

Die Jugendleitung trifft sich meist einmal im Monat, um Arbeitsschwerpunkte festzulegen, anstehende Veranstaltungen zu planen und zu organisieren sowie offizielle Termine, wie z.B. Präsidiumssitzung Stadtsportbund, Mitgliederversammlung Stadt­jugend­ring, Tagungen der Thüringer Sportjugend, aus­zu­wer­ten. Dabei werden Aufgaben je nach persönlichem Interesse und indi­vi­du­ellen Möglichkeiten verteilt.

Welche Aufgaben und Ziele hat sich die Geraer Sportjugend für das Jahr 2015 gestellt?

Wir wollen uns jedes Jahr ein wenig steigern. Wir würden 2015 gern noch mehr Bildungsveranstaltungen gemeinsam mit den Ver­ei­nen durchführen. Es hat sich gezeigt, dass die Kinder und Jugend­li­chen Spaß daran haben, sich spielerisch bei­spiels­wei­se mit gesunder Ernährung auseinander zu setzen. Die Sportler lernen sich auf einer anderen Ebene, also nicht nur im sportlichen Kontext, kennen. Das stärkt den Zusammenhalt. Auch der Übungs­leiter sieht seine Schützlinge mal aus einer anderen Perspektive. Die Kinder und Jugend­li­chen können sich mit ein­brin­gen, was wiederum das Selbst­wert­ge­fühl den Einzelnen steigern kann.

Wir möchten auch 2015 zeigen, dass im Sportverein nicht nur Sport geboten wird. Durch Veranstaltungen wie „Sportkinder treffen Nikolaus“ soll vor allem der spielerische Aspekt von Bewegung in den Fokus gerückt werden. Die Eltern werden dabei in das Geschehen integriert und bilden gemeinsam mit ihrem Sportkind einen wichtigen Teil der Veranstaltung. Die Unterstützung der Eltern ist unumgänglich für eine positive Ent­wick­lung des Kindes im Sportverein und muss deswegen ge­würdigt und bestärkt werden.

Sie studieren M.A. Bildung, Kultur und Anthropologie, ist da die Mitarbeit in der Geraer Sportjugend für Sie ein zusätzlicher Gewinn?

Mein Studiengang ist zwar spannend, aber sehr abstrakt. Es wird sich mit den grundlegenden Fragen beschäftigt „Was ist Bildung?“, „Was ist Kultur?“ und „Was ist der Mensch?“. Es gibt viele Soziologen, Philosophen, Pädagogen usw. die auf die Fragen eine Antwort haben. Leider bleibt alles abstrakt. Die Arbeit in der Geraer Sportjugend lässt mich eine eigene praxis­bezogene Antwort auf die Fragen finden. Sport ist Bil­dung, Sport ist ein Kulturgut und Sport/Bewegung macht einen Menschen.

Was wünschen Sie sich persönlich bei ihrem Engagement in der Geraer Sportjugend?

Dass die Arbeit weiterhin so gut läuft. Als Vorsitzende der Geraer Sportjugend erfahre ich viel Rückhalt vom Stadt­sport­bund Gera und werde auch in kritischen Frage­stel­lun­gen mit ein­be­zo­gen. Es ist nicht selbstverständlich, dass Jugendarbeit so hoch geschätzt wird.

In den letzten Jahren konnte ich in Gera, aber auch in der Thü­rin­ger Sportjugend und damit thüringenweit, neue Kontakte knüp­fen, die unsere Arbeit in der Geraer Sportjugend positiv be­ein­fluss­ten und immer noch beeinflussen. Ich freue mich über jede neue Begegnung, denn eine derartige Kom­mu­ni­ka­tion ist ein guter Antrieb für neue Ideen und Projekte.

Gibt es für Sie so etwas wie eine Vision?

Es zeigt sich für mich seit einigen Jahren, dass das ehren­amt­li­che Engagement in Gera - nicht nur im Sport und in der Jugend­arbeit - sehr hoch ist. Trotz der Krise in Gera bleiben viele Ehrenamtliche dabei und setzen sich immer wieder für die Entwicklung der Stadt ein. Sie übernehmen Verantwortung und investieren quasi neben ihrem eigentlichen Beruf viel Zeit, um Gera zu stärken. Ich hoffe, dass darauf geachtet wird, das Ehren­amt aber nicht überstrapaziert wird.

Die Jugendarbeit in Gera funktioniert nur dann bzw. macht nur dann Sinn, wenn es auch Jugendliche gibt, die sich einbringen können. Ich denke, dass es ein Gebot der Zeit ist, sich lang­fris­tig damit zu beschäftigen, dass Jugendliche und junge Er­wach­se­ne in Gera bleiben. Das Bildungsangebot in unserer Stadt möchte ich als positiv werten, aber was kommt nach dem Abschluss?

Visionär müssen wir als Geraer Sportjugend das Potential und die Präsenz der Jugendarbeit in Gera gemeinsam mit den freien Trägern der Jugendarbeit und -hilfe aufrechterhalten. Kinder und Jugendliche sind ein Teil, aber auch ein Indikator für eine gesunde Stadtentwicklung.  (rs)

siehe auch Bericht vom 12.03.2015  >>

«2015»
SSV Gera / Presse, 20. Mär 2015 Interview mit der Vorsitzenden der Geraer Sportjugend: Es geht nicht „nur“ um Sport.
OTZ Gera / Martin Kappel, 28. Feb 2015 Beim SSV Gera Vorfreude auf Ostthüringen Tour.
OTZ Gera / Andreas Rabel, 21. Feb 2015 Future Team und Apres Tour Gera
OTZ Gera / Marcus Schulze, 07. Feb 2015 Thüringer Klöße sind für Neu-Geraer Radtalent ein Tabu.
nach oben