Thüringer Klöße sind für Neu-Geraer Radtalent ein Tabu.

OTZ Gera / Marcus Schulze

07. Feb 2015

Mit seinem Rennrad erkundet Nako Venelinov Georgiev nun Gera. Foto: Marcus Schulze
Mit seinem Rennrad erkundet Nako Venelinov Georgiev nun Gera. Foto: Marcus Schulze

Seit Anfang des Jahres lebt und trainiert Nako Venelinov Georgiev aus Bulgarien in Gera. SSV-Sportdirektor Bernd Herrmann holte ihn an die Elster.

Gera. "Olaf Ludwig, Gerald Mortag." Nako Venelinov Georgiev muss lachen. So ganz flüssig kommen dem jungen Bulgaren die Namen der einstigen Geraer Radsport-Asse noch nicht über die Lippen. Doch das wird schon noch. Schließlich be­steht die favorisierte Freizeitbeschäftigung des 19-jährigen Rad­sportlers momentan darin, die deutsche Sprache zu er­ler­nen.

Diesbezüglich sei er auf einem guten Weg, betont der Sport­direktor des SSV Gera Bernd Herrmann, der dafür ver­ant­wort­lich ist, dass der Nachwuchsradsportler aus Bulgarien seit Jahresbeginn in Gera lebt und trainiert. Herr­mann, der sich in Bulgarien sozial engagiert, pflegt auch Kontakte in die dortige Radsport-Szene. "Der Nationaltrainer Krasimir Koew sprach mich eines Tages an, ob wir nicht Interesse an einem ta­len­tier­ten Nachwuchsfahrer hätten", so der SSV-Sportdirektor. Der bul­ga­ri­sche Coach verwies darauf, dass die Strukturen der Nach­wuchs­arbeit für eine ent­spre­chen­de Förderung in seinem Land nur bedingt vor­han­den seien. Es würde schlichtweg das Geld fehlen. Und so kam Georgiev auf Initiative von Herrmann nach Ost­thü­rin­gen. Doch es ist nicht sein erster Kontakt mit der Elster­stadt. Bereits im September vergangenen Jahres war er für ein paar Wochen zum "Vorfühlen" hier.

Sein erster Eindruck von Gera sei positiv. "Es gefällt mir hier sehr gut", so der Radsportler. Er schwärmt vom Zentrum, be­son­ders den Arcaden, und dem Buga-Park. "Durch den fahre ich immer, wenn ich zum Training aufbreche", sagt er. Mo­men­tan lebt er in einer Pension, doch ab dem 1. März wird er seine eigenen vier Wände in Lusan beziehen. "Nako ist das erste Mal in seinem Leben von Zuhause weg. Er soll dann auch lang­sam selbstständig werden, sich dieser Her­aus­for­de­rung stel­len", betont Bernd Herrmann.

"Natürlich ist es eine Herausforderung, doch es ist gleichzeitig auch eine riesige Chance für mich", sagt Georgiev, der na­tür­lich erst noch soziale Kontakte in Gera knüpfen muss. Ein An­sprech­part­ner für ihn ist der Nachwuchstrainer vom SSV Gera, Lucas Schädlich. "Nako ist ein sehr ruhiger und ehrgeiziger Typ, denkt 24 Stunden am Tag über den Sport nach", so Schäd­lich, der darauf verweist, dass sich der Bulgare die deutsche Sprache selbst beibringe. "Das geht bei ihm rasend schnell", betont der Trainer.

Das Heimweh plagt Georgiev nicht, via Internet-Telefon hält er Kontakt mit seinen Eltern und seinen beiden Schwestern. "Das ist doch normal, dass man in meinem Alter das Elternhaus verlässt", sagt er fasst ein wenig abgeklärt. Er liebe es, seine neue Heimat mit dem Rad zu entdecken. Fuhr mit diesem schon bis nach Zeitz. Auch wenn jenes radelnde Erkunden momentan von eher kühlerer Natur ist. An die winterliche Kälte in Ostthüringen müsse er sich erst noch gewöhnen. Doch das schaffe er - und lächelt. Der junge Südost-Europäer schwärmt in erster Linie von den traumhaften Zuständen der Straßen in Gera und Umgebung. Sie seien geradezu perfekt für lange Trainingseinheiten mit dem Rad. Viel besser als in seiner Heimat.

Im Alter von neun Jahren entdeckte Georgiev, dessen gesamte Familie sportbegeistert ist, den Triathlon für sich, wechselte jedoch mit 14 zum Radsport. "Von den drei Disziplinen war das Radfahren jene, die ich am besten beherrschte." Er wurde jeweils bulgarischer Landesmeister in den Kategorien Zeit­fah­ren und Kriterium. Als ihn sein Förderer Bernd Herrmann An­fang Januar in Berlin abholte, verweilten sie zunächst ein paar Tage in der Hauptstadt. Die Spree-Metropole sei sehr be­ein­druckend gewesen, "doch auch viel zu groß", sagt Georgiev, dessen Heimatstadt Plovdiv über 360.000 Ein­woh­ner hat. Zuerst gab es ein Kulturprogramm, dann ging es jedoch zum "Sechs-Tage-Rennen". Wenn der Sportler mit Abitur davon berichtet, lächelt er nicht nur, dann werden auch seine Augen groß. "Das war eine ganz besondere Erfahrung für mich." Doch der Sportdirektor zeigte ihm auch die Überbleibsel der Berliner Mauer. "Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, dass die Stadt einmal geteilt war", sagt der 19-Jährige.

Im kommenden Jahr wird er für das Team Stölting aus Gel­sen­kirchen starten, jedoch in Gera trainieren und von der Firma S-Event von Bernd Herrmann betreut. Und natürlich verfolgt er ein Ziel: "Ich möchte Profi-Fahrer werden."

Ach ja, den Thüringer Klößen hat er sich bis jetzt verweigert: "Die sehen unwahrscheinlich lecker aus, doch sind für einen Rad­sport­ler eigentlich tabu", sagt er - und lächelt.
(OTZ/Marcus Schulze)

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