Team Jenatec Cycling war der Türöffner.
Tour de France-Debütant Rüdiger Selig vom Team Bora-hansgrohe als Ehrengast bei 10. S-Event Radsport-Stammtisch.

12. Okt 2017

Rüdiger Selig vom Team Bora-hansgrohe gemeinsam mit Paula Kerndt und Bernd Herrmann vor dem 10. S-Event Radsport-Stammtisch.
Rüdiger Selig vom Team Bora-hansgrohe gemeinsam mit Paula Kerndt und Bernd Herrmann vor dem 10. S-Event Radsport-Stammtisch.

Der Firma S-Event war es gelungen, einen deutschen Starter bei der diesjährigen Tour de France zum 10. Stammtisch einzuladen. Und das war gar nicht so einfach, wie Bernd Herrmann, Geschäftsführer der S-Event Sport & Marketing UG, verrät. „Bisher war es nicht möglich, Rüdiger bei der Apres Tour Gera an den Start zu bringen. So habe ich seinen Freund Christoph Mai mit dem Auftrag nach Mallorca geschickt: Mach das mal klar!“

Er hat es klar gemacht und am heutigen Donnerstagabend stand Rüdiger Selig Rede und Antwort vor gut 70 Gästen im Restaurant 1880 Alte Brauerei in Gera. Ein Ausweichen vor den bohrenden Fragen von Moderator Sebastian Paddags gab es für ihn nicht. Der Gast nahm es locker und wie es seine Art ist, sorgte er auch mit so mancher Antwort für viel Heiterkeit.

„Komm Junge, treib mal ein bisschen Sport“, soll seine Mutter einmal gesagt haben und Rüdiger Selig hat sich für den Radsport entschieden. Klar hätte er auch Fußballspieler werden können, aber da hätte er ja immer auf einem eingegrenzten Platz, wie er meint, spielen müssen und das war ihm zu monoton. Der heute 28-Jährige zog es vor, sich der permanenten Abwechslung beim Radsport hinzugeben. „Radsport bietet viel Raum, mit der eigenen Körperkraft etwas zu machen. Jedes Rennen und jede Etappe ist anders, aber es ist nicht nur das, es ist auch die Art, wie ein Rennen gefahren wird. Mich begeistert die Technik und man fühlt sich frei und der Adrenalinkick macht einfach süchtig“, erzählt er.

Das erste Mal saß er mit acht Jahren auf einem Rennrad. Es war ein pinkfarbenes Specialized, später war es dann ein blaues Rad der Marke Veto. An einen Start bei der Tour de France war damals noch nicht zu denken, auch wenn das wohl der Traum eines jeden Radsportlers ist.

Den Weg bis zu seinem Start bei der Tour de France 2017 hat sich der 1989 in Zwenkau bei Leipzig geborene Rüdiger Selig mit viel Konsequenz und Beharrlichkeit selbst erarbeitet. Begonnen hat er mit dem Leistungsport bei der DHfK Leipzig, wo er heute noch Mitglied ist. Dann trat er als Junior für das sächsische Team Schwalbe in die Pedale und wechselte als U23-Fahrer 2008 zum Geraer Team Jenatec, ab 2009 war er Mitglied im Team Jenatec Cycling.

„Es war eine sehr schöne Zeit. Wir hatten viel Spaß und mit Peter Schmidt als Sponsor sowie Martin Brand als Teammanager waren wir eine lustige Truppe. Sportlich habe ich für mich in dieser Zeit das Optimale herausgeholt und so wurde das Team für mich zum Türöffner. Es folgten die Aufnahme ins Nationalteam, der Start bei der U23-WM und dann mein erster Profivertrag. Auch wenn es beim Luxemburger Pro Team Leopard Trek nach meinen DM-Titel im Punktefahren und Platz vier bei der U23-Straßen-WM in Kopenhagen erst einmal nur ein Probevertrag war.

Was Rüdiger Selig leisten konnte, zeigte sich bereits am 4. Oktober 2011, als er das Radrennen Binche – Tournal – Binche gewann. Für ihn ein emotionaler Tag, denn es war der Todestag seines Vaters, der 1996 verstorben war.

Ein Jahr später unterschrieb er einen Vertrag beim russischen World-Tour-Team Katjusha, für das er vornehmlich Eintagsrennen und kurze Rundfahrten bestritt. 2016 dann der Wechsel zum Pro Continental Team Bora-Argon 18, mit dem er auch zum ersten Mal an einer Grand Tour, der Vuelta á España, teilnahm. Im Trikot von BORA-hansgrohe, er hat einen Profivertrag bis 2019 unterschrieben, debütierte er bei der diesjährigen Tour de France.

Rüdiger Selig sieht seine Stärke im Sprint, dennoch kommt ihm im Team die Rolle des Anfahrers zu. Alles sei auf Peter Sagan zugeschnitten, sagt er. Ein Umstand, mit dem er aber kein Problem hat. „Es ist schon beeindruckend, was in Peter steckt und wie er die Rennen gewinnt. Ich jedenfalls komme mit dieser Rolle ganz gut klar“, sagt er.

Was sich dann aber schlagartig änderte, als Peter Sagan ausstieg und dann doch die Sprintqualitäten des Rüdiger Selig gefragt waren. „Darauf war ich nicht vorbereitet. Sich jetzt einfach so umzustellen war nicht leicht, das galt vor allem für die körperlichen Voraussetzungen. Denn als Anfahrer sind andere Qualitäten gefragt, als die eines Sprinters. So einen Kilometer von vorn fahren, mag schon gehen, aber die letzten 300 Meter super schnell, das war halt schwierig“, schaut er zurück.

Irgendwie hat er es dann doch hinbekommen, was seine Sprint-Platzierungen nach Sagans Ausstieg ausweisen: Platz neun, sieben und vier. „Ich habe gemerkt, dass ich vorn mit dabei sein kann, was gut für mein Selbstvertrauen war, um in meiner neuen Rolle zu bestehen“, sagt er. Was wohl besonders auch Jens Voigt, der große Stücke auf ihn hält, gefreut hat. Er hat einmal über Rüdiger Selig gesagt, „Der ist stark wie ein Bär. Im Stück fährt der Rüdiger die ein bis zwei Kilometer zum Ziel so gut wie kein zweiter Fahrer“.

Dass der eher ruhig wirkende Rüdiger Selig auch mal ungehalten sein kann, zeigte sich auf der 11. Touretappe, als er sich mit dem Franzosen Laporte vom Team Cofidis anlegte, der seinen Ellenbogen ausgefahren hatte, so dass Rüdiger Selig fast gestürzt wäre. „Als Anfahrer hätte er es gar nicht nötig gehabt, hätte seinen Nase doch in den Wind stecken können“, schimpfte er damals.

Gut 30.000 Kilometer hat er in dieser Saison unter seine Rennradreifen genommen, davon 14.500 bei Wettkämpfen. Viel Freizeit bleibt da nicht. Mit seiner Freundin Lisa ist er seit fünf Jahren zusammen. „Sie weiß, ich bin selten zu Hause und wenn ich da bin, dann auch mit dem Rad. Wir bekommen das ganz gut hin“, sagt er.

Bei Radrennen ein Reißer, im Privaten eher bodenständig. „Die ganzen Jahre, die ich Rüdiger kenne, ist er so geblieben, wie bei der ersten gemeinsamen Weihnachtsfeier“, beschreibt Christoph Mai seinen Freund. Viel ist er rumgekommen, wohnte sogar zweieinhalb Jahre auf Mallorca, doch letztlich zog es Rüdiger Selig nun wieder zurück in seine Heimat ins Leipziger Land. Hier ist er auch am liebsten mit dem Rad unterwegs und wenn es ihn packt, dann macht er Geschicklichkeitsübungen, hüpft mit dem Rad, fährt ein Stück auf dem Hinterrad und am liebsten mit viel Speed bergab.  (rs)

12. Okt 2017 Team Jenatec Cycling war der Türöffner.
Tour de France-Debütant Rüdiger Selig vom Team Bora-hansgrohe als Ehrengast bei 10. S-Event Radsport-Stammtisch.
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