Gera, 12.08.2009
"Frauen sind zäh, die lassen sich nicht so leicht abschütteln"
Wer am Status Quo der Frauenrundfahrt rüttelt, hat in Ostthüringen keine Lobby.


Wer am Status Quo der Frauenrundfahrt rüttelt, hat in Ostthüringen keine Lobby. Die Internationale Thüringen Rundfahrt der Frauen zählt zu den prestigeträchtigen Frauen-Touren der Welt. Vom Weltverband (UCI) in die höchste Kategorie für Etappen-Rennen (2.1) eingeordnet, können die Teilnehmer mit einer guten Platzierung im Gesamtklassement, wie auch auf jeder Etappe, richtig viele Weltcup-Punkte sammeln. Alljährlich trifft sich die Weltelite des Frauenradsports Ende Juli in Ostthüringen zu einer Art sportlicher Bestandsaufnahme vor der beginnenden Medaillenjagd bei den Welttitelkämpfen. So auch in diesem Jahr. Eine Woche nach dem Giro d’Italia Feminin und zwei Monate vor den Weltmeisterschaften im schweizerischen Mendrisio unterzogen sich vom 21. bis 26. Juli 89 Fahrerinnen aus 16 Teams, darunter die besten zehn der Weltrangliste, einem ihrer letzten Tests. Initiiert 1986 und nach Unterbrechung 1990/91, rollte die Frauen-Rundfahrt in diesem Jahr als 22. Auflage.

Allein das Hegen von Gedanken, diese traditionsreiche, für den Weltfrauenradsport so bedeutsamen und für den Thüringer Radsport wichtigen Tour zu opfern, deren Sponsoren und Förderer für andere prestigeträchtige Veranstaltungen zu gewinnen oder Etatlöcher zu stopfen, erweist sich für Radsportfans schon als Art Horrorvorstellung. Und dennoch gab es im Vorfeld diesbezüglich Überlegungen, um den Etat für die Internationale Thüringen Rundfahrt U 23 sicherzustellen. Dass dieses Horrorszenarium eigentlich schon endete bevor es begann, dafür sorgte allein schon die Haltung der Geldgeber für die Frauen-Tour.

„Die Frauen-Rundfahrt ist für uns zu einem Identifikationsereignis im Sport geworden. Diese Rundfahrt gehört zu unserer Heimat so wie unsere schöne Landschaft und Kultur dazugehört. Und wer daran etwas ändern will, den halte ich ein klares „Ne“ entgegen“, lässt Martina Schweinsburg, Landrätin des Landkreises Greiz keinen Zweifel an ihrer Sympathie für die Frauen-Tour. Und obwohl längst abgehakt, kann man in ihren Augen noch heute einen gewissen Zorn erkennen, wenn sie sich an den Tag erinnert, als sie erfuhr, dass die Tour aus Ostthüringen ausgelagert und umbenannt werden sollte. „Mit viel Engagement und Herzblut haben Radsportfreunde wie Reiner Späth und viele andere, dafür gesorgt, die Frauen-Rundfahrt hier bei uns in Ostthüringen zu halten. Hier ist sie zu Hause, dafür stehe ich und keine sollte an dem status quo rütteln“, so Martina Schweinsburg. Und weiter: „Wer es doch wagt, den sei gesagt, wenn es gegen die Frauenrundfahrt geht, dann kann ich auch ganz schön zickig werden“.

Auch Udo Strenger, Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer, verantwortlich für den Vertragssport, kann es sich nicht vorstellen, dass es in Deutschland künftig diese Rundfahrt nicht mehr geben wird. „Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt. Wir haben mit der U 23 Rundfahrt und den Frauen zwei große Radsportveranstaltungen hier in Thüringen. Es wäre jammerschade, wenn die Frauen-Tour, als eine von den drei respektabelsten Rundfahrten in der Welt, aus der sportlichen Landschaft Thüringens verschwinden würde. Ich denke, dass dies auch für Thüringen als Sportland ein großer Verlust wäre. Ich hoffen, dass die Sportförderung in Thüringen weiter am Radsport festhält und damit auch an der Rundfahrt der Frauen.“

Frauenrundfahrt k.o., kein Thema für die in Ostthüringen beheimatete Thüringer Finanzministerin Birgit Diezel. Allein die Tradition, das große Starterfeld wie auch Weltklasse an Fahrerinnen spricht für sie gegen ein Ende der Tour. „Neben dem Wintersport ist Radsport der Teil der Sommersportarten, der unseren Freistaat weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekanntgemacht hat und ich meine, der Frauenradsport mit der Thüringen Rundfahrt hat daran einen großen Anteil, so Birgit Diezel die fest an die Zukunft der Internationalen Thüringen Rundfahrt der Frauen glaubt und allein schon deshalb: „Frauen sind zäh, die lassen sich nicht so schnell abschütteln“.

Wer am Status Quo der Frauenrundfahrt rüttelt, hat in Ostthüringen keine Lobby. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die wachsende Bedeutung der Frauenrundfahrt als Wirtschaftsfaktor und zur Förderung des Tourismus, auf die Staatsekretär Christian Juckenack vom Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, anlässlich der Hauptpressekonferenz in Gera im Vorfeld der Tour verwies. Er war es auch, der sie mit viel Engagement und Herzblut zu Beginn der 90er Jahre wieder ins Rollen brachte. Es schmerzte ihn sehr, als er mit ansehen musste, wie „seine Rundfahrt“ nach seinem Ausscheiden als Rundfahrtleiter 2002 nach und nach ins Trudeln kam.

Mit der Übernahme der Tour-Geschäfte durch Nico Kleinert kam nicht nur frischer Wind in die Rundfahrt, sondern er brachte sie auch wieder auf Vordermann, was dann wiederum den heute 77-jährigen freut und sein Herz höher schlagen lässt. Wie ein Kind hat er die Frauenrundfahrt bis zur 15. Auflage gehegt und gepflegt. „Man hört nicht so einfach auf. Es sind die Gedanken, die Erinnerungen, die Geschichten, das Gute aber auch das Schlechte, die vielen Kontakte und Freundschaften, die immer irgendwie gegenwärtig sind. Und selbst wenn man nicht mehr dabei ist, freut und leidet man mit der Tour“, erzählt Reiner Späth.

Ähnlich geht es auch Martina Schweinsburg. „50.000 DM hatten wir damals zusammengekratzt und als Ehrengeschenke gab es Frotteehandtücher mit Aufdruck von ehemaligen DDR-Firmen. Wir allen waren damals Stolz darauf, dass wir das so hinbekommen haben. Und den Radfrauen hat es auch gefallen. Sonst wären die ja all die Jahre nicht wiedergekommen“, erinnert sich Martina Schweinsburg an den Neustart der Frauenrundfahrt, als wäre es gestern gewesen.

Nico Kleinert war es auch, der in diesem Jahr wieder mit seinem Team dafür sorgte, dass am Ende der Rundfahrt von Teilnehmern wie auch von den Offiziellen nur Bestnoten vergeben wurde. Auch für ihn steht fest, die 23. Auflage kommt. In wieweit er sich aber selbst in der Funktion des Tour-Direktors einbringen wird und kann, dazu hält er sich noch etwas bedeckt. Seit dem 1. Juli begleitet er die Funktion des Geschäftsführers für die Internate der Landkreis Gotha GmbH. Unterstützung für sein Engagement im Radsport findet der 29-jährige bei Landrat Konrad Giesmann. Letztlich wird es aber auch davon abhängen, wie er seine Geschäftsführertätigkeit und seine Sympathie für den Frauenradsport in Übereinstimmung bringen kann. „Ich würde mich schon gern weiter bei der Frauen-Rundfahrt einbringen, ob nun als Tour-Direktor oder in einer anderen Funktion, dass wird sich zeigen. Ich bin mir aber sicher, dass die Zukunft der Tour nicht von meiner Person abhängig sein kann“, so Nico Kleinert, der sich am Ende der Tour über das positive Feedback seitens der Sponsoren freute. „Unsere Sponsoren und Partner waren sehr angetan vom Rennverlauf und dem ganzen Drumherum. Grundsätzlich denken wir nur von Jahr zu Jahr. Zwar haben wir Zusagen, die Verträge werden jährlich abgeschlossen. Wir haben aber keinen Partner dabei, der sich zurückziehen will. Die Stimmung bei den Sponsoren ist schon sehr positiv“, so das Fazit des Tour-Direktors.   (rs)


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12.08.2009 - www.ssv-gera.de