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Anruf in Bourg-en-Bresse
Profi Enrico Poitschke übernimmt Patenschaft über JWM-Zweiten John Degenkolb.
(27.08.2007 / OTZ Gera / Andreas Rabel)

John Degenkolb: Ich werde ihn nach Doping fragen, aber nicht als erstes. Das Handy klingelt. Man möchte meinen, Radprofis hätten bei der Tour de France anderes zu tun, als zu telefonieren.

Doch Enrico Poitschke nahm am Abend im Etappenort Bourg-en-Bresse nicht nur ab, er stimmte auch ohne groß zu überlegen dem Vorschlag seines früheren Vereins SSV Gera zu, eine Patenschaft mit John Degenkolb einzugehen. "Das ist eine gute Sache. Da bin ich dabei", sagte der 38 Jahre alte Geraer.

Gestern trafen sich der Tour-Fahrer und der Junioren-Vizeweltmeister das erste Mal auf der Geraer Radrennbahn. "Wir vertragen uns. Die Patenschaft ist besiegelt", lachte Enrico Poitschke bei einem herzlichen Händedruck. Der Milram-Profi hat sich John Degenkolb nicht von ungefähr als "Patenkind" ausgesucht.

Der Mann aus Niesky in der Lausitz fuhr bereits mit Johns Vater Frank bei der SG Wismut Gera das eine oder andere Rennen. Der erfahrene Profi und der aufstrebende Renner steckten gestern das erste Mal die Köpfe zusammen, wollen sich am Rande der Drei-Länder-Tour (ehemals Hessen-Rundfahrt) treffen, die am 19. September in Gera startet.

Im Feld der Drei-Länder-Tour ist auch Milram-Profi Poitschke. Ob es eines seiner letzten Rennen als Profi werden wird, ließ der Mann aus Gera-Hermsdorf gestern offen. Das entscheide sich in den nächsten Tagen. "Vielleicht hänge ich noch ein Jahr dran - vielleicht steige ich aber auch als Sportlicher Leiter ein."

Der Patenschaft soll ein mögliches Karriereende des 38 Jahre alten Allrounders keinen Abbruch tun. "Ich denke schon, dass mir Enrico einige Tipps geben kann", sagt John Degenkolb. Eines Tages auch mal die Tour fahren, das sei ein Traum. Es muss ja nicht erst mit 38 Jahren sein wie bei Enrico Poitschke.

Doch der 18 Jahre alte Geraer sieht sich eher als Mann für die Frühjahrsklassiker. Profi will er werden, das steht außer Frage. Die Karriere ging bisher steil bergan. In diesem Jahr hat der Junior in Kolumbien als WM-Zweiter im Zeitfahren und Fünfter im Straßenrennen aufhorchen lassen. Die Eltern zogen nach der Wende nach Bayern, in die Nähe von Nürnberg.

Beim früheren Geraer Trainer Peter Ganzenberg, heute Landestrainer Bayern, begann Degenkolb mit dem Radsport. Seit vorigem Jahr ist er wieder zurück in der Heimat, wohnt beim Opa, hat beim SSV Gera sein sportliches zu Hause gefunden. Die nächste Saison trägt er erst einmal das Trikot des Thüringer Energie Teams. Nicht als erstes, aber schon bald, will John Degenkolb den gestandenen Profi Enrico Poitschke fragen, was es mit Doping im Profiradsport auf sich hat. "Kein Problem", mein Enrico Poitschke. Es sei längst nicht so, wie in den Medien dargestellt, dass jeder dopt.

Wer als Amateur den Sprung zu den Profis schafft, der hat jahrelang hart und zielstrebig trainiert, gezeigt, dass "er mehr Talent zum Radsport hat, als neunzig Prozent der anderen."

Man könne sehr wohl sauber und ehrlich seinen Sport betreiben. Betrug und Lügen werde es immer geben - nicht nur im Radsport.

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28.08.2007 - www.otz.de