Als UCI-Kommissär durch die Welt.
Der Geraer Christian Magiera lebt für den Radsport, seinen Verein und seine Stadt.

17. Dez 2016

Christian Magiera bei einem seiner Einsätze als UCI-Kommissär.
Christian Magiera bei einem seiner Einsätze als UCI-Kommissär.

Ob auf Straße, Bahn, in der Sporthalle oder im Gelände, ohne sie geht nichts, wenn man als Radsportler um Titel, Medaillen oder einfach nur um Siege und Platzierungen kämpft. Zahlreiche lizenzierte Kampfrichter sorgen deutschlandweit alljährlich dafür, dass bei Wettkämpfen das Reglement eingehalten wird. Mit einem Pfiff und dem Zeigen der Fahnen schaffen sie sich Respekt. Zuwiderhandlung seitens der Aktiven wird geahndet. Bei Entscheidungen geht es manchmal um Hundertstel. Selbst bei ausgefeilter Zieltechnik wird auf die bewährte Stoppuhr in den seltensten Fällen verzichtet. Nur nichts dem Zufall überlassen.

Wer genau auf das Reglement schaut, ist bei den Rennern nicht immer beliebt und auch seitens der Zuschauer fallen da schon mal unschöne Worte. Paragrafenreiter ist dabei eines von den Harmlosesten. Wer damit ein Problem hat, erweist sich für die Aufgabe als Kampfrichter als ungeeignet.

„So etwas kommt schon vor, aber eher selten“, sagt Christian Magiera, der es wissen muss. Doch letztendlich ist der wichtigste Antrieb, einen fairen und vor allem sicheren Sport für die Athleten zu organisieren. Denn zum Schluss sollen alle Sportler die gleichen Chancen auf einen Sieg oder eine der Platzierung haben.

Seit 1999 steht der heute 36-Jährige auf dem WA-Wagen, sitzt im Begleitfahrzeug oder steht am Rande der Radrennbahn. Ähnlich einem Adler überschaut er mit scharfem Blick das Renngeschehen und so mancher der Renner weiß genau: dem entgeht nichts.

Das, was Radsportler während der Wettkämpfe leisten müssen, kennt er aus eigener Erfahrung, womit er aber auch weiß, wie man das Reglement auch mal unterlaufen oder den Schiedsrichter täuschen kann oder sich den einen oder anderen Wettbewerbsvorteil erschleicht. Weil er sich auskennt, laufen die Chancen für eine Täuschung durch die Sportler gegen Null und genau deshalb wird er von so manchem Aktiven gefürchtet.

Hochgearbeitet hat sich Christian Magiera vom Kampfrichter im Thüringer Radsport-Verband bis zum UCI-Kommissär. Längst ist der gebürtige Geraer nicht nur thüringen- und bundesweit aktiv, sondern man kennt ihn in den Sportstätten Europas, ja fast in der ganzen Welt. Doch nach jedem Einsatz zieht es ihn wieder zurück in seine Heimatstadt Gera, die er als Wohnsitz nie hinter sich gelassen hat. Weder während seines Studiums in Jena noch in seiner beruflichen Tätigkeit seit 2012 als Leiter der Geschäftsstelle beim Thüringer Radsport-Verband in Erfurt.

Viel Zeit verbringt er bei seinen Kommissärseinsätzen auch im Flugzeug. Die Stunden hat er nicht gezählt, auch nicht die dabei zurückgelegten Kilometer. Was ihm viel wichtiger ist, sind die gewonnenen Eindrücke und Erlebnisse, wobei sich das Kennenlernen von Land und Leuten fast nur auf die Wettkampfstätten bezieht. Kommissärseinsätze sind eben kein Urlaub, auch wenn das so mancher anders sieht.

Sein Einstieg in den Radsport begann mit einem Zettel. Der Zettel hing an einer Tafel im Schulhaus der damaligen 15. POS in der Eiselstraße. Es war eine Einladung zum Schnuppertraining auf der Geraer Radrennbahn. Christian Magiera schaute sich das ganze erst einmal an, fand Gefallen daran und sah im Radsport für sich eine sinnvolle Freizeitgestaltung. Das Radsport-ABC brachte ihm sein erster Trainer Michael Kaiser bei. Einen ersten Erfolg verbuchte er beim Straßenrennen in Taubenpreskeln. „Weil es doch etwas bergig war, reichte es zwar nicht für einen Platz auf dem Treppchen, aber ich fand, dass es nicht so schlecht war, als das man darauf nicht aufbauen kann“, erinnert sich Christian Magiera noch heute.

Es bedurfte dann aber noch einige Zeit, bis es mit einem der begehrten Podestplätze klappte. In der U15 war es dann soweit. So erinnert er sich an das Rennen in Kitzen südlich von Leipzig, wo er es auf einen zweiten Platz brachte.

Nach Michael Kaiser folgten als seine Trainer Hans-Jürgen Stupka, Peter Ganzenberg und Gerald Mortag. Der eigentliche Durchbruch wollte ihm aber nicht gelingen und so entscheid er sich im Juniorenbereich, seine aktive sportliche Laufbahn zu beenden und seine Erfahrungen als Trainer an den Nachwuchs weiterzugeben. Anfangs noch als Schüler am Goethegymnasium übernahm er das Training der Altersklasse U11 und später wechselte er dann zur U13. Schon am Gymnasium hatte er Vorbildwirkung für andere Schüler, erzählt sein ehemaliger Sportlehrer, Günter Eck. Dabei waren es nicht nur seine hervorragenden schulischen Leistungen, auch seine Willensstärke im Sport war vorbildlich. Gern erinnert sich Günter Eck an seine Einsatzbereitschaft bei außerschulischen Sporteinsätzen, wie bei den Frühjahrs- und Herbstcrossläufen der Geraer Schulen oder bei den Handballmeisterschaften. Letztendlich hielt Christian Magiera aber dem Radsport die Treue.

Die Entscheidung, sich neben seiner Trainertätigkeit das ABC der Kampfrichter anzueignen, ergab sich aus einigen Fehlentscheidungen der Kampfrichter bei Wettkämpfen, über die er sich aufregte. Er wollte es besser machen.

Während seines Zivildienstes beim SSV Gera entschied er sich für eine Ausbildung zum Kampfrichter, die er 1999 erfolgreich abschloss. Einmal mit der Materie in Berührung gekommen, wollte er mehr und nun ging es Schlag auf Schlag. Seit 2004 ist er BDR-Kommissär für die Bereiche Straße, Bahn, Cross, MTB und Anti-Doping-Inspektor. Seit Mitte 2009 ist er im Besitz des Zertifikats als UCI-Kommissär für Straßen- und Bahnradsport und seit Anfang Juli 2012 für Paracycling.

Zwischen 2007 und 2009 besuchte er Ausbildungslehrgänge am Hauptsitz der UCI im schweizerischen Aigle. Die Prüfungen selbst wurden in englischer beziehungsweise in der Sprache des Radsports, in französischer Sprache, abgelegt. Er hat es geschafft und das mit Bravour. Im östlichen Teil der Republik gibt es derzeit drei UCI-Kommissäre, wobei der Geraer im Moment der einzige aktiv tätige Kommissär ist.

Mit damals 29 Jahren war er der zweitjüngste UCI-Kommissär auf der Bahn und der jüngste auf der Straße. Von den 200 Bewerbern 2007 wurden nur 120 zum Vortest eingeladen, den 28 erfolgreich bestanden. Die sich daran anschließende Prüfung bestanden 19, darunter der Geraer Christian Magiera.

Die Praktische Prüfung als UCI-Kommissär für den Bahnradsport wurde ihm von Colin Clews (Großbritannien), der 2005 als Chef-Kommissär die Internationale Thüringen Rundfahrt der Frauen leitete, im Juni 2009 beim Großen Preis von Deutschland in Cottbus abgenommen.

Seine praktische Prüfung für die Straße absolvierte er 2009 beim Holländer Martijn Swinkels während des internationalen Straßenrennens im dänischen Herning. 2011 legte er dann die praktische Prüfung im Bereich Paracycling im kanadischen Baie Comeau ab. Sein Prüfer war der US-Amerikaner Randy Shafer. Noch vor der Zertifizierung als UCI Kommissär im Dezember 2008 wurde Christian Magiera in die Technische Kommission Rennsport, Bereich Bahnradsport, des Bundes Deutscher Radfahrer berufen. Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem die Abnahme von Radrennbahnen, die Pflege des Bahnreglements sowie dessen weitere Vervollkommnung.

Christian Magiera zählt inzwischen mit zu den kompetentesten UCI-Kommissären, was ihm seit 2009 die Berufung als UCI-Chef-Kommissär bei zahlreichen nationalen und internationalen Wettkämpfen einbrachte. Dazu zählen unter anderem: Deutsche Meisterschaften bis hin zu den Profis, egal ob im Cross, im MTB, auf Straße und Bahn, Internationale Radsportmeisterschaften, Internationale Rundfahrten und Radklassiker. Weitere Einsätze für ihn waren: Thüringen Rundfahrt der U23, Internationale Thüringen Rundfahrt der Frauen, bei Bahn-WM´s 2010 in Kopenhagen, 2015 in Paris und 2017 in Hongkong, bei Junioren-WM´s 2013 in Glasgow, 2014 in Seoul, 2015 in Astana und 2016 in Aigle, dabei 2013 und 2016 als Jurypräsident.

Zum Einsatz kam er bei den Paracycling WM´s 2015 auf der Straße im US-amerikanischen Greenville und 2016 auf der Bahn im italienischen Montichiari. Es folgten weitere Einsätze bei der Straßen WM 2012 in Valkenburg, 2014 und 2016 in der Worldtour und 2017 erstmals als Jurypräsident bei einem WorldTour-Rennen, der Eneco Tour.

Wer so viel herumkommt, der hat viel erlebt und kann über so manche Begebenheit Interessantes berichten. Was tun, wenn die Zieltechnik wegen Stromausfall ausfällt und es dann noch zu einer Massenankunft im Ziel kommt. So 2015 während des Radrennens in Belgien „Omloop Van Het Waasland“ bei der Zielankunft in Stekene. „Eigentlich hätte es ein ganz normales Radrennen sein können, wenn uns im Jury-Fahrzeug nicht die Nachricht ereilt hätte, dass der dort aufgeblasene Zielbogen in sich zusammengefallen ist und das ca. einen Kilometer vor dem Ziel. Unter normalen Umständen wohl kein Problem, ihn noch wegzuräumen, doch dann kam hinzu, dass die gesamte Stromversorgung ausgefallen war, so dass wir als Jury versuchten, die Zieleinfahrt mit Fotoapparat und Handys zu erfassen beziehungsweise mit der althergebrachten Art die Rückennummern zu notieren. Auch das wäre noch zu verkraften gewesen, wenn es bei der Überfahrt über den Zielstrich keinen Massensprint gegeben hätte. Mit viel Mühe konnten wir dann doch noch ein Ergebnis zusammenstellen. Wir nutzten dabei die uns zur Verfügung stehenden Bildaufnahmen so wie die notierten Startnummern. Die Identifizierung einiger Fahrer erfolgte mit Unterstützung der sportlichen Leiter anhand der Trikots der Sportler, wobei wir auch auf die Ehrlichkeit der Renner bauten. Nach eineinhalb Stunden hatten wir ein erstes, brauchbares Ergebnis. Die anderen Sportler wurden dann mit einem Ergebnis eingeordnet, mit dem letztlich alle leben konnten“, erzählt der Geraer.

Dass Jury-Mitglieder auch gefährlich leben, diese Erfahrung musste Christian Magiera ebenfalls machen. „Bei der Juniorenweltmeisterschaft 2016 in Aigle kam es beim Zielspurt im Scratch-Rennen zu einem Sturz. Plötzlich kamen zwei Rennräder auf mich zu. Ich konnte mich gerade noch auf die Bande schwingen, so dass die Bahnräder unter mir durchrutschten. Die betroffenen Sportler hingegen rutschten über den Zielstrich. Das Reglement sieht vor, dass zur Platzierung im Ergebnis die Überquerung des Zielstriches mit dem Vorderrad ausschlaggebend ist. Ganz vorn konnten wir sie nicht platzieren, doch auch hier fanden wir eine sportlich faire Regelung. Den Sturz und mein Verzweiflungssprung auf die Bande hatte jemand gefilmt, so dass wir uns beim Ansehen im Nachhinein noch köstlich über diese Aktion amüsiert haben“, erinnert sich Christian Magiera.

Und noch eine dritte Begebenheit. „Es war bei der Junioren Rundfahrt in Österreich. Gut 15 Kilometer vor dem Ziel hatte sich eine Spitzengruppe gebildet, nichts Ungewöhnliches bei einem Radrennen und eigentlich gut überschaubar. Dann folgte eine für uns spektakuläre Meldung über eine Spitzengruppe, die wir nicht zuordnen konnten Wie sich dann herausstellen sollte, sind die Fahrer fehlgeleitet worden und nach einem Umweg wieder auf der Rennstrecke angekommen, nun aber zwischen der eigentlichen Spitzengruppe und dem Verfolgerfeld, so dass wir das Fahrerfeld dann erst einmal wieder ordnen mussten“, so der Geraer UCI-Kommissär.

Christian Magiera ist langjähriges Mitglied im Präsidium des SSV Gera 1990 e.V.. Die Bindung an seinen Heimatverein war und ist ihm stets sehr wichtig, doch als Kommissär, selbst bei kleineren Einsätzen wie beim Geraer BahnCup, bewahrt er sich seine Objektivität. Hierbei hält er sich an Reiner Späth, Ehrenmitglied im SSV Gera und viele Jahrzehnte als Kampfrichter tätig, der ja sogar einmal seinen eigenen Vereinsradsportler Olaf Ludwig disqualifiziert hatte.

Christian Magiera gestaltet sein familiäres Leben mit der ehemaligen Radsportlerin und heutigen Sichtungstrainerin beim Thüringer Radsport-Verband Heike Schramm, im Moment in Elternschaft, gemeinsam mit Töchterchen Luise.

Während in der medialen Welt der Fokus eher auf den Sportlern liegt, stehen die Kampfrichter und Kommissäre meist im Schatten des Geschehens. Und doch sind sie stets präsent, was sie, so auch Christian Magiera, zu einem Botschafter für ihren Sport, ihr Land und ihre Heimatstadt werden lässt.  (rs)

17. Dez 2016 Als UCI-Kommissär durch die Welt.
Der Geraer Christian Magiera lebt für den Radsport, seinen Verein und seine Stadt.
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